Erste Hilfe am Pferd

Notfälle verschiedener Art sind beim Pferd nicht selten; dies liegt meist an den speziellen Verhaltensweisen dieser Tierart: so sind der ausgeprägte Fluchtinstinkt oder die hierarchische Ordnung in der Herde oft Ursache von Verletzungen.

Ebenso sind Gefahrenquellen im Stall und auf der Weide in genügendem Ausmaß vorhanden. Interne Erkrankungen sind unter anderem begründet in einer falschen Haltungsweise: fehlender Auslauf, nicht adäquates Futter und mangelhafte Stallungen sind nur einige Ursachen. Das Wissen um richtige Erstversorgung von Verletzungen sowie das richtige Vorgehen bei Auftreten von internen Erkrankungen bei Pferden ist von eminenter Bedeutung: bei schneller und optimaler Betreuung wird doch dadurch größerer Schaden am Tier verhindert. Bis zum Eintreffen des Tierarztes kann also wertvolle Arbeit geleistet werden; dies ist auch unter dem Blickwinkel des Tierschutzes zu sehen.

Es stellt sich hier aber natürlich auch die Frage der Haftung bei durch den Erste Hilfe Leistenden verursachten Folgeschäden; diese sind aber bei richtiger Einschätzung des eigenen Wissens und der eigenen praktischen Erfahrung selten.

Auch übernehmen Versicherungen (so vorhanden) im Ernstfall etwaig entstandene Kosten. Eines muss aber in aller Deutlichkeit festgehalten und in diese Überlegungen miteinbezogen werden:

DIE ERSTE HILFE ERSETZT KEINESFALLS-IM GEGENTEIL- SIE IMPLIZIERT DIE NACHFOLGENDE BETREUUNG DURCH EINEN TIERARZT!

Das Notfallmanagement

Allgemeine Regeln

Um ein sicheres Auftreten und Vorgehen bei Notfällen zu gewährleisten, ist es ratsam, gewisse Situationen schon im "Trockentraining" durchzuspielen; dazu sind Kenntnisse aus Anatomie, Physiologie, Pathologie und Traumatologie aus dem Gedächtnis abzurufen. So stellen sich zum Beispiel folgende Fragen:

- Welche Normalwerte in Bezug auf Puls, Atmung und Temperatur finden sich beim Pferd? oder:

- Welche wichtigen anatomischen Strukturen liegen im Gebiet der möglichen Verletzung vor? oder:

- Wie äußert sich eine Schlundverstopfung, eine Kolik, ein Kreuzschlag, ein Schockgeschehen etc.?

Nur wer in dieser Hinsicht "fit" ist, wird auch entsprechende und wirksame Hilfsmaßnahmen ergreifen können!

Voraussetzung für das Umsetzen von theoretischen Kenntnissen in einer Notfallsituation ist das Bewahren von Ruhe und Besonnenheit; diese überträgt sich auf den Pferdepatienten und verleiht dem Erste Hilfe Leistenden obendrein Kompetenz unter der immer vorhandenen Zuschauerschaft.

Das Anlegen einer Stallapotheke oder eines Notfallkoffers mit sämtlichen wichtigen Utensilien ist dringend zu empfehlen (siehe später). Auch eine Liste mit wichtigen Telefonnummern (Tierarzt, Hufschmied) ist bereitzuhalten.

In aller Sorge um das erkrankte oder verletzte Pferd muss aber oberstes Gebot der Selbstschutz und der Schutz von helfenden Personen sein! In diesem Sinne gilt: "Nur ein unverletzter Helfer ist ein effektiver Helfer!"

Eine Einteilung von eventuell vorhandenen fähigen Personen und dadurch Verteilung von Aufgaben ist von Bedeutung, um rasch und effizient zu helfen.

Ist der Patient aufgrund seines Krankheitszustandes aufgeregt, sind Beruhigungsmaßnahmen einzuleiten. Das Pferd wird dazu in eine ihm bekannte Umgebung gebracht (Box, Anbindeplatz) und abgezäumt bzw. mit einem Halfter versehen. Das zwanglose Halten des Kopfes und ruhiges Zureden durch eine vertraute Person (Besitzer, Stallbesitzer) mit tiefer Stimme ist der Beruhigung förderlich. Ohrmassage (soweit möglich) sowie Akupunktmassage im Bereich zwischen den Nüstern sind dazu ebenso gut geeignet. Da es sich bei Pferden um Herdentiere handelt, ist die unmittelbare Anwesenheit eines zweiten Pferdes (wenn möglich des Kumpanen) wichtig!

Die Weiterleitung von guten und aufschlussreichen Informationen an den Tierarzt schon vor dessen Eintreffen an den Ort des Geschehens (telefonisch) ist wichtig, kann doch sich dieser schon bei der Anfahrt einen Behandlungsplan zurechtlegen.

Folgende Angaben sind daher zu machen:

- Welche Symptome zeigen sich?
- Bestehen Verletzungen?
- Seit wann ist das Pferd erkrankt?
- Sind weitere Pferde erkrankt?
- Frisst und trinkt das Pferd?
- Zeigen sich Veränderungen bzgl. Harn- und Kotabsatz?
- Liegt erhöhte Körpertemperatur vor (Angabe)?
- Wie verhält sich das Pferd?
- Bewegt sich das Tier anders als normal?
- Welche Umstände haben vermutlich zu dem Problem geführt?

Vom Tierarzt ist unbedingt eine ungefähre Zeitangabe bzgl. seines Anfahrtszeit zu verlangen, um über die weitere Vorgangsweise zu entscheiden.

Bei schweren Fällen kann das unmittelbare Verbringen des Pferdes in eine Klinik (nach erfolgter Erstversorgung) zielführend sein. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

- Lagekenntnis der Klinik
- ständige Bereitschaft eines Pferdeanhängers mit Zugfahrzeug sowie eines Fahrberechtigten!
- den Regeln entsprechendes Anhängen des Tieres im Anhänger
- Langsame und behutsame Fahrweise (vor allem in den Kurven)
- Mitnahme des Equidenpasses
- Das Mitfahren einer Person im Anhänger ist verboten!

Verhaltensweisen bei Unfällen

Bei Unfällen an öffentlich zugänglichen Stellen ist das Absichern der Unfallzone oberstes Gebot; die Verbringung des Pferdes aus der Gefahrenzone heraus ist, wenn möglich, unmittelbar im Anschluss durchzuführen. Sind Menschen mit verunglückt, ist der Behandlung dieser der Vorzug zu geben.

Bei Eintreffen am Unfallort ist eine Lagebeurteilung durchzuführen:

- Was ist geschehen?
- Sind Menschen beteiligt?
- Welche Arten von Verletzungen gibt es, sind lebensbedrohende darunter?
- Wie viele Pferde sind in Mitleidenschaft gezogen (Gespannfahren)?
- Wie lange dauert die Notfallsituation schon an?
- Gibt es besondere Gefahren in der Umgebung?

In der Folge wird der Notfallpatient einer kurzen Untersuchung unterzogen, dies gilt natürlich auch bei internen Erkrankungen:

- Überprüfung der Lage, in der sich das Pferd befindet (ev. Schockgeschehen)
- Überprüfung des Vorhandenseins einer lebensbedrohlichen Verletzung
- Überprüfung der Atmung
- Überprüfung des Kreislaufes
- Überprüfung des Bewusstseins
- Überprüfung der Verletzungen (wenn vorhanden)

(Textauszug: Modul EH, Ausbildung zum ARGE Pferdephysiorherapeuten; Dr. med. vet. Andreas SENDLHOFER, TÄ Leiter der ARGE-Tierphysiotherapie Österreich Akademie, copyright).