Biophysik des Pferdes


Auszug aus unserem Lehrskript: Biophysik des Pferdes/ARGE Tierphysiotherapie Österreich (copyright).


Belastungsphasen am Huf – Gliedmaßenführung.



Vorderhand:


1. Hangbeinphase: Huf-, Fessel-, Vorderfußwurzel-, Ellbogen- und Schultergelenk werden gebeugt und die Gliedmaße wird dadurch zum Abheben verkürzt und vorgeführt. Zugleich wird durch Muskelkraft der Schultergürtel gehoben (M.rhomboideus, M.trapezius, M. serratus ventralicus). Der Humerus wird gebeugt durch M. latissimus dorsi und M.pectoralis profundus).Das Vorschwingen der Gliedmaße erfolgt unter wesentlicher Beteiligung dieser Schultergürtel- und Beugemuskulatur. Die Scapula macht zugleich eine Drehbewegung medial auf den Rumpf: Adduktion: Mm. pectoralis transversus, descendens und profundus. Der M. subscapularis adduziert das Schultergelenk.

2. Hangbeinphase: Die Gliedmaße wird durch Streckung aller Gelenke wieder verlängert bis sie zum Fußen kommt. Humerus wird gestreckt durch M. brachiocephalicus. Scapula wird vorgeführt durch M. omotransversarius. Die ventrale Führung bewerkstelligen Mm.pectoralis descendens, brachiocephalicus und omotransversarius. Humerus und Scapula werden kranial bewegt. 1. Stützbeinphase: Zu Beginn des Fußens wird die Gliedmaße gestreckt nach vorne gestellt. Die Strecksehnen des Schulter und Ellbogengelenkes treten in Aktion. Der Rumpf schwingt sich über das Stützbein nach vorne und die Vordergliedmaße kommt in die Senkrechte. M. rhomboideus und M. trapezius hauptsächlich bewerkstelligen die Kraft im Stützbein und das Vorschwingen. Der Rumpf wird etwas gehoben und das Fesselgelenk wird durchgetreten. Die Vorderfußwurzel wird etwas nach hinten gedrückt. Der Fesselträger und die oberflächliche Beugesehne fangen die dabei enormen Kräfte von bis zu 8000kp (Max.wert bei Renngalopp und einbeiniger Stützbeinphase im Sprung bei Wettkampfpferden) über das Prinzip der Zuggurtung auf. Aufteilung der Kraft indirekt proportional (reziprok) zur Anzahl der durch Sehnen übersprungenen Gelenke. Bei Einbindung zweier Gelenke in die Zuggurtung bereits Halbierung der Kraftverhältnisse.

3. Stützbeinphase: Hier strecken sich alle Gelenke wieder maximal. Das Schulterblatt vollendet seine in der 1. Stützbeinphase begonnene Drehung am Rumpf mit Hilfe M. serratus ventralicus. M. trapezius und M. rhomboideus ließen in dieser Rumpfdrehung das Schulterblatt seitlich heraustreten. Mit Aufrichtung des Fesselgelenkes werden der Fesselträger und die ofl. Beugesehne entlastet.



Hinterhand


1. Hangbeinphase: Huf-, Fessel-, Sprung-, Knie- und Hüftgelenk werden gebeugt und die Gliedmaße wird verkürzt, vorgeführt und hebt sich vom Untergrund ab. Daran beteiligt sind die Beuge- und Beckengürtelmuskeln. Als starke Hüftbeuger fungieren M.psoas major und M.iliacus. Im Bereich der Oberschenkelmuskeln übernimmt diese Aufgabe der M. quadriceps femoris. M. tensor fasciae latae hebt den Femur nach dorsal und beugt das Knie. Das Kniegelenk wird während des Vorschwingens etwas nach außen gedreht und passt sich so der Bauchwölbung an.

2. Hangbeinphase: Bei zunehmender Beugung des Hüftgelenkes werden Fessel-, Sprung-, Knie- und Hüftgelenk wieder gestreckt. Die Glutäenmuskeln fungieren als Strecker des Hüftgelenkes. An diesen Streckvorgängen beteiligt ist die kaudale Oberschenkelmuskulatur. Die durch die Streckung verlängerte Gliedmaße kann plan fußen. 1.Stützbeinphase: Die Übernahme der Last erfolgt unter Spannung aller Strecker. Hierbei kommt dem Feststeller des Kniegelenkes eine besondere Bedeutung zu: Für die funktionelle Koppelung von Knie und Sprunggelenk sorgen M.fibularis tertius und M.flexor digitorium superficialis. Beteiligt an diesem Streckvorgang sind aber auch die starken Oberschenkelmuskeln. Diese ziehen die Insertion des M.flexor digitorium superficialis nach proximal seine Spannung löst die Streckung des Sprunggelenkes aus. Durch diese Muskelbetätigung erfolgt also mit einer Streckung des Knies zugleich eine Streckung des Sprunggelenkes! Eine Spannsägenkonstruktion an der Hintergliedmaße ist das zugrunde liegende kinematische Prinzip. Oberflächliche Beugesehne und Fesselträger sind gespannt. Auch das Durchtreten des Fesselgelenkes wird durch diese beiden Sehnen gebremst, wobei eine große Last auf sie einwirkt. (auf die ofl. Beugesehne bis zu ).

3. Stützbeinphase: Der Fesselträger und die ofl. Beugesehne werden durch Aufrichten des Fesselgelenkes entlastet. Die tiefe Beugesehne wird zunehmend angespannt. Sie stabilisiert das Sprunggelenk. Die Kraft für den Vorwärtsschub bewerkstelligen hauptsächlich die Glutäenmuskeln und die kaudale Oberschenkelmuskulatur.


Die vertikalen Kräfte am Huf im Stand, Schritt, Trab und Galopp sind wie folgt:

Stand: 137 kp, Schritt: 320 kp, Trab: 517 kp, Galopp: 875 kp, bei Rennpferden bis 8000 kp!

(1 kp entspricht 9.81 N, dies entspricht wiederum der Gewichtskraft von ca.1 kg) Die Beuge-, Streck- und Drehbewegungen der Zehe sind kaum bis gar nicht möglich, da es sich ausschließlich um Scharniergelenke handelt. Die Drehbewegungen im Hufgelenk sind vorne bis max. 11°- 15° vorne möglich, hinten 14°-18°.Im Krongelenk um 4°. Im Fesselgelenk ist keine Drehbewegung möglich.

An Huf, Sehnen, Bändern und Gelenken spielen sich bei Schritt, Trab, Galopp und Sprung jeweils die gleichen Bewegungsvorgänge, jedoch unterschiedliche Kraftbeanspruchungen ab. Die Belastungen treten jeweils in der 1. Und 2. Stützbeinphase auf. Die Bewegungen werden unterteilt in 1. und 2. Stützbeinphase und 1. und 2. Hangbeinphase. Die Belastungen werden also in 1. u. 2. Stützbeinphase, das Vorführen der Gliedmaße in 1. u. 2. Hangbeinphase unterteilt. Die 1. Stützbeinphase beginnt mit der Fußung und wird betrachtet bis zur senkrechten Stellung der Gliedmaße. Hier beginnt die 2. Stützbeinphase. Diese wird bis zum Abheben des Fußes vom Untergrund betrachtet. Die 1. Hangbeinphase beginnt also mit Abheben des Fußes vom Untergrund. Sie wird wieder bis zum gedachten Lot des Fußes betrachtet. Ab dieser Senkrechten beginnt die 2. Hangbeinphase, welche vom Lot bis zum Fußen anhält.